Am Mittwoch, 24. November 2015 titelte die Westdeutsche Allgemeine in Herne „Pläne für die Revierparks stoßen in Herne auf Ablehnung.“ Weiter heißt es im Vorspann: „Mit Ausnahme von Grünen-Ratsfrau Sabine von der Beck meldeten Redner aller Parteien – inklusive Grünen-Fraktions-Chef Thomas Reinke – starke Vorbehalte gegen die RVR-Pläne an.“ Der Bericht endet mit der Aussage: „Ratsfrau Sabine von der Beck, die auch Fraktions-Chefin der Grünen im Ruhr-Parlament ist, warb dagegen für die RVR-Pläne. Sie empfahl, „genau hinzuschauen“. So profitiere der Revierpark zurzeit noch von der Schließung des Wananas. Das werde sich schon bald anders darstellen.““
Nach einem Jahr intensiver Beratung mit den Oberbürgermeistern und Landräten sowie der Verwaltung aller Städte und Kreise (mit Ausnahme von Dortmund), die mit dem Regionalverband Ruhr (RVR) gemeinsam die Trägerschaft der in den 70er Jahren an den Stadtgrenzen errichteten Revierparks haben, haben diese ein Modell für die bessere, gemeinsame Entwicklung vorgelegt. Dieses Modell unter dem Titel „Verschmelzungsmodell“ sieht vor, alle Gesellschaften zu einer zu fusionieren und – bei weitgehender Wahrung des derzeitigen Freizeitangebotes – durch eine gemeinsame Entwicklung dem seit zehn Jahren bestehenden Rückgang der Besucher durch ein professionelleres, gemeinsames Management im regionalen Schulterschluss zu begrenzen. Wie die WAZ berichtete (s.o.), war ich im Hauptausschuss der Stadt Herne mit meiner Pro-Rede für dieses Verschmelzungsmodell die einzige auf weiter Flur. Andererseits habe ich die anderen Ratsvertreterinnen und Ratsvertreter zwar als skeptisch, aber nicht als ablehnend erlebt. In diesem Blogbeitrag stelle ich meine Sicht der Dinge nun noch einmal ausführlicher dar. Denn ich hoffe, für Herne und den Revierpark Gysenberg, dass bei „genauem Hinschauen“ die Debattenlage in Herne versachlicht werden kann und die Lösung gewählt wird, die den Revierpark Gysenberg und alle anderen Gesellschaft gemeinsam wieder nach vorn bringt.
Der „Sinkflug“ der Besucherzahlen in den Revierparks, insbesondere der Saunen und Bäder ist chronisch. In den letzten zehn Jahren sind – durch demografischen Wandel, verändertes Freizeitverhalten und viele neue Freizeitangebote – die Besucherzahlen stetig gesunken. Mittlerweile ist die Zahl der Besucher um ein Drittel geschrumpft. Ich konnte diesen Sinkflug seit zehn Jahren selbst im Wirtschaftsausschuss des Regionalverbands Ruhr mit erleben. Dort werden quartalsweise mit schöner Regelmäßigkeit die neuen gesunkenen Besucherzahlen präsentiert.
Herne macht da keine Ausnahme. Die Argumentation, dass die Besucherverluste in Herne (9,5 % in 2015 im Vergleich zum Vorjahr!) nicht so krass wären wie in anderen Freizeitgesellschaften mit RVR-Beteiligung, ist vor dem Hintergrund kritisch zu bewerten, der ja in den WAZ-Bericht auch zitiert wurde, dass das Wananas (wegen eines Brandes) derzeit geschlossen ist. Das führt nicht nur im Revierpark Gysenberg vorübergehend zu Steigerungen der Besucherzahlen, sondern auch beispielsweise im Sportparadies Gelsenkirchen oder vermutlich auch im CopaCaBackum in Herten. Sobald das Wananas aber in neuem und modernem Glanz eröffnet, kann man sich an fünf Fingern abzählen, dass die Besucherzahlen in Herne vom langjährigen „Sinkflug“ ausgehend weiter stark sinken werden – hoffentlich gehen sie nicht in den „Sturzflug“ über!
Wie ist vor diesem Hintergrund das Verschmelzungsmodell des RVR zu bewerten? Zunächst einmal: hier geht es nicht um eine feindliche Übernahme, sondern um ein freundliches Angebot. Es geht nicht darum, vorhandene Freizeitangebote, die unter anderem auch die Herner Bevölkerung lieben und gerne nutzen, zu schließen, sondern im Gegenteil: es geht darum, sie zu sichern. Das spiegelt auch der Entwurf des Gesellschaftervertrags wider, den ich den Ratsmitgliedern empfehle zu lesen. Keine Einrichtung kann gegen den Beschluss des Rates am Gysenberg geschlossen werden, außerdem gibt es klar geregelte, umfangreiche Kündigungsmöglichkeiten. Und: Jede Summe, die der Rat der Stadt Herne in den Revierpark investieren will, soll auch nachweislich dem Gysenberg zugute kommen.
Erkennbare wirtschaftliche Nachteile gibt es für den Revierpark Gysenberg gegenüber dem „Weiter wie bisher“ also nicht. Dafür aber gibt es Chancen. Die Revierparks waren und sind ein in Deutschland einzigartiges, ganzheitliches Konzept zur Gestaltung von Freizeitmöglichkeiten in Ballungsräumen. Sie sind damit ein Alleinstellungsmerkmal der Region, das allerdings leider über die Jahrzehnte an Glanz und Attraktivität verloren hat. Das soll die neue Gesellschaft ändern, indem sie eine neue Geschäftsführung einstellt, welche die bundesweiten Trends auf dem Freizeitsektor kennt und in der Lage ist, die Revierparks in Ihrer Einzigartigkeit so zu verändern, dass sie wieder das werden, was sie immer sein sollten: Eine Attraktion für Bürgerinnen und Bürger, die man selbst und auch mit Gästen von außerhalb ebenso gern besucht wie andere erfolgreiche Kooperationsprojekte der Region, etwa die Extraschicht oder die Route der Industriekultur. Das stemmt man aber nur gemeinsam und nicht, indem man so weiter macht wie bisher. Zumal die europäischen Fördermittel, die für die Aufwertung der Parks, also die kostenlosen Highlights ohne Eintritt, eingeworben werden sollen, nur in einer regionalen Kooperation zur Verfügung stehen.
Im Rat gestern wurde kritisiert, dass es „nur“ 870.000 Euro an jährlichen „Einsparungen“ durch das Verschmelzungsmodell gibt. Das möchte ich relativieren. Erst einmal geht es bei der ganzen Aktion nicht um „Einsparungen“, sondern um eine Absicherung der Gesellschaften und Prävention weiterer Verluste, die sich jetzt schon abzeichnen. Außerdem wurde konservativ gerechnet mit dem Ziel, dass diese Rechnung auch hieb- und stichfest ist. Auch hier hilft es, genauer hinzusehen. Denn das Geld soll ja nicht tatsächlich eingespart werden (was man auch fordern könnte, was aber meines Wissens niemand macht), sondern soll re-investiert werden, damit die Gesellschaften aus dem „Sinkflug“ der Besucherzahlen herauskommen und wieder – um im Bild zu bleiben – „Wind unter die Flügel und die Nase nach oben“ zu bekommen. Keiner will hier etwas wegnehmen. Aber es ist auch kein politischer regionaler Wille mehr erkennbar, Steuergelder ohne Ende in ein Fass mit ungestopften Löchern zu pumpen.
Kommen wir nun zu den Verlierern des Verschmelzungsmodells: 20 Prozent der Beschäftigten, so die Aussage der Gutachter, nämlich die Beschäftigten in der Verwaltung (also: nicht Bademeister und Parkleiter vor Ort) könnten demnach einen weiteren Weg zur Arbeit haben, weil sich ihr Arbeitsort verändert. Das mag im Einzelfall eine Härte sein, über die man dann mit dem Personalrat an der Seite sprechen muss, aber es ist normalerweise nicht unzumutbar im Ruhrgebiet, in der einen Stadt zu wohnen und der Nachbar- oder Nachbar-Nachbar-Stadt zu arbeiten. (Dass der öffentliche Nahverkehr regional besser verzahnt werden muss, ist ein anderes Thema, auch da – hilft nur der regionale Sprung nach vorn. Fortsetzung dieses Exkurses folgt…)
Es wird gern von politischem Machtverlust gesprochen. Hier muss man klarstellen: der Rat der Stadt Herne erfährt durch die neue Lösung keinen Machtverlust. Er kann nach wie vor entscheiden, wieviele der (nicht vorhandenen) Millionen er im Revierpark Gysenberg zukünftig investieren will, und dieses Geld wird genau dort investiert und nirgends sonst (siehe oben). Der viel beklagte Machtverlust besteht einzig und allein darin, dass die bisher vom Rat entsandten Vertreter im Verwaltungsrat ihre Posten verlieren werden und – nach den derzeitigen Plänen – nur noch ein Vertreter die Ratsmeinung (!) in der neuen Freizeitgesellschaft Metropole Ruhr – vertreten wird. Eine Ratsmeinung – ein Vertreter. Das das bei der derzeitigen großkoalitionären Gemengelage übrigens auch bei den Grünen in Herne keine große Freude auslöst, kann man sich denken. Demokratisch legitim ist es aber allemal. Und daher auch kein Machtverlust für Bürgerinnen und Bürger der Stadt Herne, die ihre Macht (geht vom Volke aus!!) den gewählten Ratsmitgliedern als solche übertragen haben. Allerdings müssen die Ratsfraktionen nun in der Tat abwägen, wie wichtig Ihnen der Verlust an Mandaten einzelner aus ihren Reihen wirklich ist.
Fazit: Der Rat der Stadt Herne hat die Wahl zwischen zwei Wegen für den Gysenberg. Entweder: „Weiter wie bisher in den Sinkflug im Alleingang“. Oder: „Mit gemeinsamen Kräften wieder Wind unter die Flügel und die Nase nach oben bekommen“. Mit den bisherigen Strukturen haben wir den „Sinkflug “ seit zehn Jahren in allen Gesellschaften nicht wirksam in den Griff bekommen. Die gemeinsame Lösung bietet zumindest die Chance, die Revierparks zu neuer, alter Form und Klasse aufzubauen. Diese Entscheidung liegt nun beim Rat der Stadt Herne. Und bei den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt. Mein Tipp: Schauen Sie genau hin, was da passiert!
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